Das “Dilemma” bei Auswahl und Betrieb eines ERP-Systems — Teil 2
20., 2015 · By conda
Das Dilemma bei Auswahl und
Betrieb eines ERP-Systems:
Prozesse oder Software anpassen?
Teil 2: die Betriebsphase
In der Betriebsphase eines ERP-Systems dreht sich erstaunlicherweise (oder auch nicht?) die in der Auswahlphase gestellte Frage häufig genug um. Nun heißt es: „Unsere Prozesse passen nicht zum ERP! Haben wir das richtige ERP gewählt?“.
Woran liegt das? Man hat doch die Unternehmenssituation und die Voraussetzungen selber intensiv geprüft und auch durch Dritte analysieren lassen. Hat man etwa dennoch Fehler im Auswahlprozess oder in der Implementierung gemacht?
Nun, ganz auszuschließen ist das nicht. Diverse Studien berichten von hohen Prozentzahlen, in denen in ERP-Projekten die Ziele nicht erreicht wurden. Ganz dramatisch wird es, wenn Einführungsprojekte gar abgebrochen werden müssen, weil so ziemlich alles aus dem Ruder läuft und nur wenig funktioniert (jüngstes Beispiel: Frachtsparte eines deutschen Logistik-Unternehmens, Okt. 2015).
Bei manchen Projekten ist bereits beim „go-live“ klar, dass einige Ziele nicht erreicht wurden oder überhaupt erreichbar sind. In der Regel werden Zeit- und Kostenziele nicht eingehalten; es gibt aber auch Defizite, weil die Software die in der Projektphase versprochenen Funktionalitäten nicht zufriedenstellend abbilden kann oder Prozesse nicht in beabsichtigtem Maße angepasst werden konnten.
Bei anderen ERP-Projekten wird erst im Laufe der Zeit (nach Monaten oder Jahren) deutlich, dass man manchen Zielsetzungen hinterher hinkt oder sich gar weiter davon entfernt. Hier muss man oft feststellen, dass „einmal implementiert“ nicht heißt, dass in Bezug auf ERP jetzt für die nächsten 10 Jahre alles erledigt und gut ist. Der Betrieb eines ERP-Systems, des „Nervensystems“ des Unternehmens, erfordert ständige Betreuung und Beobachtung der Entwicklungen in Organisation und auch der Software selber. Versäumt man dies, ist möglicherweise die „Implementierung“ – nicht die Software selber – schnell veraltet, bzw. der „ERP-Anzug“ passt nicht mehr. Man muss dann feststellen, dass man beispielsweise aufgrund Veränderungsunwilligkeit, zu großem organisatorischen Beharrungsvermögen und nicht genügend konsequenter Anpassung von Prozessen in alte Muster zurückfällt.
Aber auch andere Aspekte können unternehmensintern zu einer Verschlechterung der „ERP-Effizienz“ führen:
- Das Unternehmen ändert sich, aber die Prozesse und deren Abbildung in der Software werden nicht angepasst.
- Umwelt und Anforderungen an das Unternehmen ändern sich, das ERP-System wird aber nicht angepasst.
- Die Software entwickelt sich weiter, man geht diese Entwicklung aber nicht mit.
- Lösungen für neue Anforderungen oder Fragestellungen werden außerhalb des ERP – mit nicht integrierten Systemen — gesucht und etabliert ⇒ erneute „Inselbildung“.
- Die Analyse der verfügbaren gemeinsamen Datenbasis erfolgt nicht koordiniert und nach festgelegten Regeln ⇒ jeder erstellt seine eigene Statistik!
Auch ohne dieser Liste weitere mögliche Punkte hinzuzufügen wird deutlich, dass ein erfolgreiches ERP-Projekt nicht mit der Auswahl und der Implementierung abgeschlossen ist. Es beginnt dann erst richtig! Beachtet man diese Tatsache nicht, stellt man nicht nur ein bisher erfolgreiches Projekt in Frage, gefährdet ROI und ERP-Nutzen, man erodiert möglicherweise auch den Unternehmenserfolg. Und sicher kommt dann viel zu schnell die Frage auf:
„Haben wir das richtige ERP-System gewählt?“