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Einzelfertigung


“Einzelfertigung 4.0” — ach du lieber Himmel!

“Einzelfertigung” und “4.0”: widerspricht sich das nicht?

 

Der infla­tionäre Gebrauch der Begriff­ser­weiterung „4.0“ nimmt kein Ende. Jed­er, der was auf sich hält, benutzt „4.0“, um sich einen mod­er­nen, zukun­ft­sori­en­tierten, „dig­i­tal­en“ Anstrich zu ver­passen, oder um seine Beteili­gung an der näch­sten indus­triellen Rev­o­lu­tion zu doku­men­tieren:
Deutsch­land 4.0, NRW 4.0, Mit­tel­stand 4.0, Arbeit 4.0, Nord­deutsche Energiewende 4.0, .…
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Und jet­zt auch noch „Einzelfer­ti­gung 4.0“! Ist diese Begriff­skom­bi­na­tion nicht ein Wider­spruch an sich? Keineswegs, und ich werde Ihnen zeigen, weshalb das so ist.

Der Ter­mi­nus „4.0“ wird abgeleit­et aus den drei voraufge­gan­genen indus­triellen Rev­o­lu­tio­nen, deren Aus­gangspunk­te haupt­säch­lich in rev­o­lu­tionären Fortschrit­ten in der indus­triellen Pro­duk­tion lagen. Ins­ge­samt ver­wun­dert es also nicht, wenn unter der vierten indus­triellen Rev­o­lu­tion „4.0“ vielfach und gerne wiederum „nur“ eine näch­ste Evo­lu­tion­sstufe der indus­triellen Pro­duk­tion ver­standen wird. Dies ist aber mit­nicht­en so. Im Gegen­satz zu den ersten drei Stufen, die ihre Bedeu­tung als „Rev­o­lu­tion“ erst in der ret­ro­spek­tiv­en Betra­ch­tung offen­barten, wird der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion (gerne gle­ichge­set­zt mit Indus­trie 4.0, Inter­net of Things, Cyber Phys­i­cal Sys­tem oder Smart Fac­to­ry) bere­its jet­zt dieses rev­o­lu­tionäre Poten­zial zugewiesen. Dabei haben wir ger­ade mal wenige Schritte auf dem Weg in die dig­i­tale Zukun­ft getan. Wie sich aus vie­len Gesprächen mit Man­agern aus der Einzelfer­ti­gung zeigt, wächst die Erken­nt­nis tagtäglich, dass wir es dies­mal mit ein­er Entwick­lung zu tun haben, die weit über die näch­ste Indus­tri­al­isierungs-Stufe der Pro­duk­tion hin­aus­ge­ht. Die voraufge­gan­genen indus­triellen Rev­o­lu­tio­nen haben gewaltige soziale und gesellschaftliche Verän­derun­gen bewirkt, und vielle­icht ist es daher bei der kom­menden Entwick­lung ange­brachter, im gesamtwirtschaftlichen Kon­text eher von „Busi­ness 4.0“ als von Indus­trie 4.0 zu sprechen. Die Entwick­lung wird kaum einen Unternehmens­bere­ich auss­paren, der nicht von der dig­i­tal­en Trans­for­ma­tion bee­in­flusst wer­den wird.

Busi­ness 4.0 wird vieles in ein neues Licht rück­en. Die durch Dig­i­tal­isierung opti­mierte Wertschöp­fungs­kette erfordert Änderun­gen der existieren­den Pro­duk­te, oder ganz neue Güter; von neuen Ser­vices mit entsprechen­den Busi­ness­mod­ellen ganz zu schweigen. Dies hat direk­ten Ein­fluss auf Pro­duk­ten­twick­lung und Engi­neer­ing, die sich nicht nur mit den neuen Anforderun­gen auseinan­der­set­zen müssen, son­dern sie wer­den auch ganz neue Wege in der – kol­lab­o­ra­tiv­en – Pro­duk­ten­twick­lung gehen. Der Ver­trieb dieser Erzeug­nisse und Dien­stleis­tun­gen wird zunehmend auch über soziale Medi­en erfol­gen. Eben­so wie das Recruit­ing, für das zudem gilt, „dig­i­tales“ Unternehmens-Know-How aufzubauen und geeignete Mitar­beit­er zu find­en. Nach­haltigkeit und Ressourcenscho­nung verän­dern die Logis­tikket­ten genau­so wie die Indi­vid­u­al­isierung der Pro­duk­te; Pro­duk­te wer­den spät in der Wertschöp­fungs­kette kon­fig­uri­ert und indi­vid­u­al­isiert, vor Ort zusam­menge­baut, gefer­tigt oder auch gedruckt. Dies hat auch unmit­tel­baren Ein­fluss auf betrieb­swirtschaftliche Aspek­te des Unternehmens.

So lichtet sich jet­zt auch für den Einzelfer­tiger mehr und mehr der Nebel. Bish­er hat­te er seine liebe Mühe und Not mit der „engen“ Inter­pre­ta­tion der Indus­trie 4.0. Es geht nicht mehr nur darum, sich darüber den Kopf zu zer­brechen, wie man eine per Def­i­n­i­tion hohe Pro­duk­t­vari­abil­ität mit der häu­fi­gen Aus­prä­gung „1“ durch automa­tisierte Fer­ti­gung möglichst wirtschaftlich fer­ti­gen kann. Durch viele Fachauf­sätze geis­tert immer noch die Vorstel­lung von Indus­trie 4.0, dass sich das Werk­stück seinen eige­nen Weg durch die Fer­ti­gung sucht, mit den Werkzeug­maschi­nen kom­mu­niziert oder sich pri­or­ität­sori­en­tiert in der Warteschlange selb­st nach vorne schiebt.
Für den Einzelfer­tiger kann es in bes­timmten Fällen sich­er auch um solche Dinge gehen. Das die gesamte Unternehmung durch­drin­gende „4.0“ ist aber das wirk­liche Spielfeld des Einzelfer­tigers.
Alleine die vielz­i­tierte Ergänzung der Ser­vice-Palette wird die Hard- und Soft­ware-Kon­struk­tio­nen, den Anla­gen­ver­trieb, die Ersatzteil­fer­ti­gung, oder die Abteilung „Pro­duk­ten­twick­lung“ stark beschäfti­gen. Let­ztere erhält beispiel­sweise Anla­gen­dat­en, die zur Pro­duk­tverbesserung analysiert, aus­gew­ertet und auf­bere­it­et wer­den; der Betreiber / Kunde wiederum stellt diese Dat­en kosten­frei in der Cloud zur Ver­fü­gung, und erhält im Gegen­zug eine durch den Anla­gen­bauer opti­mierte Ein­stel­lung der Anla­gen-Betriebs-Para­me­ter. Werkzeug­maschi­nen, die selb­st­ständig und unab­hängig vom Bedi­ener fehlende oder zu erset­zende Werkzeuge oder erforder­lich­es Vor­ma­te­r­i­al anfordern sind auch für kleinere Unternehmen in der Einzelfer­ti­gung schon kein allzu utopis­ches Szenario mehr. In der indus­triellen Fer­ti­gung 4.0 ist dies eine Frage der Sen­sorik und Aktorik, der Automa­tisierung, der Steuerun­gen, der Ver­net­zung der Sys­teme. Offen­sichtlich ist in diesem kleinen Szenario die Bedeu­tung von MES und/oder ERP, über die notwendi­ge externe Infor­ma­tio­nen bere­it­gestellt und erforder­liche Freiga­ben an Sub­sys­teme zur dor­ti­gen eigen­ständi­gen Bear­beitung weit­erg­ere­icht wer­den.

War bish­er in der Einzelfer­ti­gung eine zurück­hal­tende, beobach­t­ende Hal­tung festzustellen, heißt es nun, sich inten­siv mit den kom­menden Her­aus­forderun­gen zu beschäfti­gen! Einzelfer­ti­gung 4.0 ist wesentlich umfassender als die Dig­i­tal­isierung der Wertschöp­fungs­kette. Dies ist nur ein Aspekt, für viele Indus­trien sich­er ein vor­dringlich­er. Aber mit den vorhan­de­nen Struk­turen und Organ­i­sa­tions­for­men lässt sich in der begin­nen­den, näch­sten indus­triellen Rev­o­lu­tion kein Blu­men­strauß gewin­nen. In den voraufge­gan­genen Stufen wur­den überkommene Struk­turen hin­wegge­fegt und dies­mal wird es nicht viel anders sein. Es reicht nicht, nur die Wertschöp­fung­sprozesse dig­i­tal zu unter­stützen. Wer das nicht akzep­tiert, verin­ner­licht und zur Hand­lungs­maxime sein­er kom­menden Busi­ness-Entschei­dun­gen macht, wird früher oder später vom bere­its ange­fahre­nen Zug abge­hängt wer­den.

 

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